Editorial März, April 2016

Veröffentlicht am Dienstag, 23. Februar 2016, 10:21

Fintechs können Berater nicht ersetzen
Die Basis einer guten Kundenbeziehung ist Vertrauen und dieses Vertrauen unserer Kunden müssen wir uns täglich neu verdienen: Durch erstklassige Beratungsqualität, persönliche Betreuung und konstruktive Aufklärungsarbeit. Fehler sind dabei nicht erlaubt, denn die Fintechs stehen schon am Start und warten auf ihre Chance.

Die gute Nachricht ist: Wir sind auf dem richtigen Weg. Wenn es um Versicherungen geht, wendet sich jeder zweite Österreicher als erstes an den eigenen Berater. Der Grund dafür ist das Vertrauen darauf, dass dieser eine passende Empfehlung zum jeweiligen Thema abgibt.

Diese Qualität kann aber nur durch Fachwissen, gewissenhafte Kontrolle und eine Fokussierung auf die Bedürfnisse unserer KundInnen erreicht werden. Vor allem der tägliche Quercheck von Kennzahlen und Produktangaben auf Plausibilität ist eine Leistung, die ein Computer bis dato nicht erbringen kann. So hat mich unlängst in einem Factsheet einer Fondsgesellschaft die Angabe der Verwaltungsgebühr stutzig gemacht: Da stand „0,1%“ ­– ein Schnäppchen also – nur leider fehlte die Info, wofür diese berechnet wird. Erst auf Nachfrage wurde erklärt, dass diese Zahl nur die Kosten der Depotbank betrifft, aber nichts über die wahre Verwaltungsgebühr des Fonds aussagt (tatsächlich beträgt diese 2%).

In einem anderen Fall ging es um eine nicht korrekte Angabe der TER. Diese wurde mit „1,08%“ angegeben, doch allein die Managementgebühr betrug „1,2%“. Offenbar ein Eingabefehler – aber wer haftet am Ende dafür? Ein Computerprogramm hätte diese Angaben übernommen, ohne sie weiter zu verifizieren.

Auch das Thema Pensionsvorsorge muss sensibel behandelt werden. Mit jeder weiteren Pensionsreform gewinnt die Gefahr einer „kollektiven Altersarmut“ an Brisanz. Als Vermögensberater haben wir hier eine große Verantwortung gegenüber unseren Kunden. Aber die Frage, die sich mir stellt, ist: Warum werden wir dafür nicht aktiv angefragt? Wieso denken die Menschen bei diesem Thema nicht sofort und zu aller erst an ihren Berater? Es wäre doch unsere Chance, unsere Kunden langfristig an uns zu binden und unseren Berufsstand neu zu positionieren.

Und hier kommen wir zur schlechten Nachricht: Unser Berufsstand hat es in der Vergangenheit verabsäumt, sich ein klares Profil zu verpassen.

Wir haben unsere Kunden mit diversen Gewerbescheinen und unterschiedlichsten Berufsbezeichnungen verwirrt. „Finanzdienstleistungsassistent“, „Tippgeber“, „Wertpapiervermittler“ oder doch „Vermögensberater“ – unser Kunde weiß nicht mehr, wo und wie er diese einordnen soll.

Eine Folge davon ist, dass unser Berufsstand heute in diversen Image-Rankings im hinteren Drittel zu finden ist. Aber dort gehören wir nicht hin!

Es liegt ausschließlich an uns selbst, der Öffentlichkeit ein klares Berufsbild mit einem kompromisslosen Qualitätsanspruch zu vermitteln. Ein erster wichtiger Schritt dahin wäre die Definition eines einheitlichen „Berufes“.

Hermann Stöckl
AFPA Vorstand

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